Das „Klein-PAST-Gebäude“ im Warschauer Aufstand

          „Klein-PAST“ ist ein umgangssprachlicher Name für den Sitz des Amtes der Polnischen Telefonaktiengesellschaft (PAST) in der Pius IX. Straße 19, heutzutage Piekna-Straße 19 im Südteil der Innenstadt. Der Sitz bestand aus einem Hauptgebäude und einigen Hinterhäusern, die den Innenhof umgaben:
          - das Ost-Hinterhaus, befand sich neben den ausgebrannten und 1939 zerstörten Gebäuden der ehemaligen deutschen Botschaft in der Pius IX. Straße 17. Dort befand sich eine Telefonzentrale,
          - das West-Hinterhaus, an seiner kürzeren Seite neben dem Hauptgebäude gelegen und an der längeren war es mit dem höheren Hinterhaus in der Pius IX. Straße 21 verbunden, wo sich die Aufständischen befanden,
          - das Süd-Hinterhaus im Hinteren, zusammen mit einer 3 Meter hohen „Grenzmauer“, die den Hof von „Klein-PAST“ abschloss,
          - ein Komplex von Ställen, Garagen, Schuppen, deren Lage sich heute nicht mehr bestimmen lässt.
          An der Ecke des Süd-Hinterhauses von „Klein-PAST“ gab es ein Fenster, in dem sich eine deutsche Wache befand. Von der Giebelseite aus lag an dieser Ecke ein hohes Gebäude mit einer blinden, teilweise zerstörten Hinterwand, die zum Nachbarsgebäude in der von Aufständischen besetzten Koszykowa Straße gehörte.




          Das Hauptgebäude sah von der Seite der Pius IX. Straße ähnlich wie heute aus. Links befand sich ein Einfahrtstor in den Hof, daneben stand ein Betonbunker. Rechts gab es eine Eingangstür. Ganz anders sah jedoch damals das Nachbarsgebäude in der Pius IX. Straße 21 aus. Heutzutage ist es eine direkte Verlängerung des Hauptgebäudes von „Klein-PAST“ und stellt zusammen mit ihm eine Einheit dar. Im Jahre 1944 war es ein bisschen zurückgedrängt und enthüllte einen Teil der Giebelwand des Hauptgebäudes von „Klein-PAST“, was durch die Zerstörungen während der deutschen Luftangriffe 1939 verursacht war. Dieses Gebäude lag teilweise dicht an dem West-Hinterhaus an. Die Pius IX. Straße war an dieser Stelle viel schmaler als heute, dadurch befand sich die Frontwand nachts immer im Dunkeln. Die Aufständischen konnten die Deutschen von der anderen Straßenseite aus nur mit Mühe beobachten.
          „Klein-PAST“ war eine ständige Bedrohung für die Aufständischen und die Zivilbevölkerung. Die Deutschen hielten die Pius IX. Straße und teilweise auch die Straßen Krucza, Mokotowska und Ujazdowskie-Allee unter Beschuss mit Maschinengewehren. Das „Klein-PAST-Gebäude“ verband zahlreiche Aufstandskräfte und war ein isolierter Widerstandspunkt innerhalb des polnischen Bereiches. Er befand sich jedoch in der Nähe deutscher Stellungen im Polizeiviertel, wo man Hilfe aus dem Gestapo-Gebäude in der Szucha-Allee erwarten konnte (heutzutage Sitz des Bildungsministeriums).
          Am 1. August 1944 brach der Warschauer Aufstand aus. Die Kämpfe begannen auch in der südlichen Innenstadt. Auf die Eroberung von „Klein-PAST“ bereitete sich schon seit Frühling 1944 die Kompanie vom Oberleutnant Mieczyslaw Fajecki „Kwiatkowski“ vom 3. Bataillon des Militärdienstes zum Schutz des Aufstands (W.S.O.P. AK) „Narew“ vom Kapitän Zygmunt Netzer „Kryska“. Die Kompanie versammelte sich im Z. Woloska-Gymnasium in der Pius IX. Straße 28. Um circa 16:40 Uhr versammelten sich rund 20 deutsche Soldaten am Tor des Gebäudes der Telefonstation und begannen, die immer lautere Schießerei im Zentrum der Hauptstadt zu beobachten. Pünktlich um 17 Uhr warfen einige Aufständische Handgranaten in Richtung der Deutschen. Diese rannten sofort ins Gebäude rein, einen Moment später transportierten sie dorthin auch zwei Verwundete und verbarrikadierten schnell das Eingangstor. Es kam zum Feuerwechsel, bei dem der Pionier „Mazur“ verletzt wurde. Er starb am folgenden Tag. In der Nacht versuchte der 3. Kompaniezug, bewaffnet mit ein paar Pistolen, an den Hinterteil von „Klein-PAST“ in der Nähe der Koszykowa Straße zu gelangen. Die Deutschen beschossen sie heftig mit Maschinengewehren und zwangen zum Rückzug. Die nächsten Sturmangriffe wurden schon von Soldaten des 7. Bataillons „Ruczaj“ durchgeführt.
          Der nächste Sturmangriff am 3. August wurde unter anderem von der Deckungskompanie des Kommandanten des 2. Sektors, Rottmeister „Litwin“, unter der Leitung des Kapitäns Stanislaw Kulczycki „Sas“ geführt. Der vom Oberleutnant Juliusz Loskoczynski „Serafin“ geleitete Angriff durch einen Wanddurchbruch in Richtung der Westwand des Gebäudes endete mit einer Niederlage. An diesem Tag gelangen um 8 Uhr drei deutsche Panzer zu „Klein-PAST“. Die selbstsicheren, in den Panzern versteckten Deutschen wurden von den Aufständischen überrascht. Der Trupp der Fähnriche vom Unteroffizier Jerzy Szuster „Jur“ bewarf sie mit Granaten und Benzinflaschen. Alle drei in der Pius IX. Straße stehenden Panzer wurden in Brand gesetzt.




          Am 4. August führen die Aufständischen wieder einen Angriff auf „Klein-PAST“ durch. Während des Angriffs kommt der ältere Schütze Lech Czarnecki „Lech“, bei dem Versuch ins Gebäude durchzudringen, ums Leben. Auch an diesem Tag versuchten deutsche Panzer zum „Klein-PAST-Gebäude“ zu gelangen. Sie wurden jedoch durch einen massiven Granaten- und Benzinflaschenangriff gestoppt und zogen in Richtung der Ujazdowskie-Allee zurück.
          Am 5. August fand der nächste Sturmangriff auf die Telefonzentrale statt. An den Kämpfen am „Klein-PAST“ nahm auch der Kapitän Zbigniew Lewandowski „Iza“ teil, ein Pionier von der Leitung des 2. Sektors.
          Er erinnert sich: „Es gelang mir mit Hilfe vom Sprengstoff einen Mauerdurchbruch in der Seitenwand des Gebäudes, in der Höhe des 3. Stockes zu machen (von der Seite des Nachbarshauses aus). Wir gelangen durch diesen Durchbruch in das Gebäude, aber die Deutschen ließen sich nicht überraschen – sie begrüßten uns mit Handgranaten und Maschinengewehren. Ein junger uns begleitender Unteroffizier kam ums Leben, ich und zwei Schützen wurden durch die Druckwelle der explodierenden Granaten durch denselben Wanddurchbruch hinaus gestoßen. Beide Schützen wurden leicht verletzt, ich hatte glücklicherweise keine Wunden, nur viele blaue Flecken. Wir versuchten noch das „PAST-Gebäude“ zu verbrennen, indem wir durch den Mauerdurchbruch Benzinflaschen hineinwarfen – aber nur in einem Raum verbrannte die Innenausstattung und das Feuer löschte schnell aus – wegen eines Betonfußbodens. Die Deutschen verbarrikadierten schnell und dicht den Mauerdurchbruch.“
          Während des misslungenen Sturmangriffs kamen 4 Aufständische ums Leben, und auch die Sanitäterin „Izabella“ starb während des deutschen Beschusses vom „Klein-PAST-Gebäude“. Also gab es insgesamt 5 Tote. Am 8. August beschlossen die Aufständischen, die Deutschen von einer anderen Seite zu überraschen. Der Plan sah voraus, dass der Sturm nach dem Ausbruch eines Loches im Dach des Gebäudes stattfindet, und von dort aus planten die Aufständischen in das „Klein-PAST-Gebäude“ zu gelangen. Auf dem Dach des Nachbarsgebäudes erschien eine Gruppe der Aufständischen mit einer zum Ausbruch des Loches fertigen Mine. Leider waren die Deutschen die ganze Zeit wachsam, es kam zu einem heftigen Beschuss von „Klein-PAST“ aus und ein deutsches Projektil zerstörte mit riesiger Kraft den Minendetonator. Die Detonation zerriss einen Pionier, außerdem wurden 2 Aufständische getötet. Der nächste Sturmangriff am Abend des 10. Augusts war auch misslungen. Einer der zwei Bunker vor dem Gebäude wurde jedoch zerstört, das Erdgeschoss und der dritte Stock der deutschen „Festung“ stark beschädigt.



Ein während des Angriffs getöteter Aufständischer.


          Während der Kämpfe bei „Klein-PAST“ organisierten die Deutschen von der Szucha-Allee am 5. August um circa 10 Uhr am Morgen einen Entsatz für die von polnischen Aufständischen umgebenen deutschen Soldaten. Vom Gestapo-Gebäude zog eine Kolonne, die aus vier Panzern des Typs Panther und einer großen Soldatengruppe bestand. Für den Schutz der Panzer nahmen die Deutschen polnische Frauen. Ein Teil von ihnen saß in 3-5-Personengruppen auf den Panzern, andere gingen daneben, vermischt mit deutschen Soldaten, unter denen viele Frauentücher und –mäntel trugen. Die Frauen wurden aus der bei der Gestapo in der Szucha-Allee gefangen gehaltenen Gruppe und von den in den Häusern in der Chocimska und Koszykowa Straße festgenommenen Frauen ausgewählt. Sie wurden zusammen mit ihren, später erschossenen, Männern abgeschleppt. Die Frauen dienten als lebendiges Schild, das deutsche Panzer schützen sollte.
          Bevor die Kolonne losging, hatte ein deutscher Offizier die Frauen informiert, dass sie zum Gebäude der Telefonzentrale gehen, um tote und verwundete Soldaten zu sammeln und sie auf die deutsche Seite rüberzubringen. Die Kolonne brach in der Szucha-Allee in Richtung Ujazdowskie-Allee auf, bog dann in die Pius IX. Straße ab, vorbei an deutschen befestigten Stellungen. In der Kolonne gab es circa siebenhundert Frauen. Als die ersten an die Barrikade an der Höhe der Häuser in der Pius IX. Straße 7-16 kamen, erreichten die letzten noch nicht mal die Pius IX. Straße. Nur zwei von Frauen umgebene Panzer gelangen in die Straße, sie bewegten sich in 40 Meter Abstand.
          Der durch die Nachricht über den Panzerangriff allarmierte Kompanieleiter „Habdank“ vom Bataillon „Ruczaj“ rannte in die Pius IX. Straße und leitete die Verteidigung persönlich. Im Bereich der Barrikade befand sich der Trupp des Unteroffiziers Fähnrich Jerzy Szuster „Jur“ im ersten Stock eines der Gebäude auf der ungeraden Seite der Pius IX. Straße. Als sich die deutsche Kolonne näherte, begann „Jur“ den Frauen zuzurufen: „Flieht hinter die Barrikade!“. Die Frauen flüchteten an die Hauswände und hinter die Barrikade, und enthüllten somit die Deutschen, die in der Mitte der Straße standen. Beide Panzer wurden mit Granaten und Benzinflaschen beworfen.
          Plötzlich begannen beide Panzer die Häuser in der Höhe des ersten und zweiten Stockwerks, wo sich die Stellungen der Aufständischen befanden, heftig zu beschießen. Die Deutschen entschieden sich jedoch nicht, die Barrikade durchzubrechen und zogen 30 Meter vor der Barrikade zurück. Die brennenden Panzer qualmten, schossen um sich und fuhren in Richtung der Ujazdowskie-Allee. Die hinter den Panzern gehenden Frauen folgten. Einige von ihnen wurden durch deutsche Schusse getötet oder verletzt. Auch einzelne Frauenbekleidung tragende Männer zogen zusammen mit den Panzern zurück.
          Während des deutschen Angriffs kamen nur zwei Aufständische ums Leben, auf der deutschen Seite gab es dafür zwei beschädigte Panzer. Die Pantherpanzer konnten trotz ihrer Defekte zurückfahren, weil sie automatische Feuerlöscher besaßen, dank denen die Panzermotoren nicht entzündeten.
          Die Deutschen versuchten wieder am 10. August deutsche Soldaten in der Pius IX. Straße zu befreien. Der Angriff der Infanterie und der Panzer, dem eine heftige Bombardierung der südlichen Innenstadt vorausging, wurde von den Aufständischen abgeschlagen.
          In der Nacht vom 18. auf den 19. August unternahmen die Deutschen den letzten Entsatzversuch für die Soldaten im „Klein-PAST-Gebäude“. Die Infanterie stürmte von der Ujazdowskie-Allee gleichzeitig in Richtung der Straßen Koszykowa, Chopina und Pius IX. ein. Es ist jedoch den Deutschen nicht gelungen, die Aufständischen zu überraschen. In der Nähe der Koszykowa Straße versuchten sie mehrmals anzugreifen, aber stießen aufs Feuer der Hand- und Maschinengewehre. Die in oberen Stockwerken und auf Dächern der nahe gelegenen Gebäuden versteckten Aufständischen bewarfen die Deutschen von beiden Straßenseiten mit Granaten. Schließlich verzichteten die Deutschen auf den Kampf und zogen zurück. „Klein-PAST“ war immer noch von den Aufständischen umgeben, und das Gebäude wurde für die meisten Deutschen eine Falle ohne Ausgang.
          Seit dem 5. August war das Gebäudekomplex von „Klein-PAST“ von über 60 schlecht bewaffneten Soldaten umgeben. Sie kontrollierten die Pius IX. Straße von der Marszalkowska bis zur Krucza Straße. Sie beobachteten auch den hinteren Teil von „Klein-PAST“ von der Koszykowa Straße und die Barrikade an der Ecke Pius IX. und Marszalkowska Straße. Aus dieser Gruppe besetzten circa 30 Soldaten das Gebiet vor „Klein-PAST“, was aber die Besetzung aller Haustore in der Pius IX. Straße unmöglich machte. In der Nacht kamen einzelne deutsche Soldaten auf die Pius IX. Straße und suchten nach Lücken in der polnischen Abwehr, durch die sie fliehen könnten. Sie schlichen leise an die polnischen Stellungen heran und bewarfen die Aufständischen plötzlich mit Granaten. Da diese aber unter chronischem Munitionsmangel litten, konnten sie nicht zurückschießen.
          Mieczyslaw Cwikowski beschrieb nach Jahren die Kämpfe mit den Deutschen bei „Klein-PAST“: „Ich versuchte zu bestimmen, wie die Deutschen nachts das „Klein-PAST-Gebäude“ in Richtung Pius IX. Straße verließen. Ohne Erfolg. Einmal wurde solch ein deutscher Soldat mit einer Granate beworfen. Er kam von dieser Expedition weinend zurück und rief „Ich bin krank“. Wir schenkten dem Verwundeten das Leben, aber vor dem Hauptgebäude war es so dunkel, dass ich von der gegenüberliegenden Straßenseite nicht sehen konnte, wie er ins Gebäude gelangte: ob durch das Einfahrtstor oder durch die Fronttür oder vielleicht über die Schnurleiter an der Mauer neben der Telefonzentrale. Diese Information hätte für uns bei der Planung des Sturmangriffs auf „Klein-PAST“ nützlich sein können.“
          Die Deutschen befestigten alle Stockwerke des Hauptgebäudes, das Einfahrtstor wurde mit Hilfe von Stacheldrahtrollen blockiert. An dem Tor befand sich ein Bunker, der von Sandsäcken geschützt war. Um das Gebäude vor eventuellem Brand zu bewahren, trugen die deutschen Soldaten alle Möbel aus den Fronträumen des Gebäudes heraus, entfernten die Fensterbänke und die Holzrahmen von Fenstern und schüttelten auf den Fußboden eine dichte Schicht Sand heraus.
          Die Aufständischen konnten „Klein-PAST“ von drei Seiten angreifen – von der Frontseite in der Pius IX. Straße; von Hinten, wo die Höfe von „Klein-PAST“ und dem Gebäude in der Koszykowa Straße durch eine Mauer getrennt wurden; und auch von der Westseite, vom Mietshaus in der Pius IX. Straße 21 aus, das von den Aufständischen besetzt war. Die Polen entschlossen sich, den entscheidenden Sturmangriff auf den deutschen Widerstandspunkt durchzuführen. Der Termin des Angriffs auf „Klein-PAST“ wurde auf die Nacht vom 21. auf den 22. August festgelegt. Zum Sturmleiter wurde der Kapitän Franciszek Malik „Piorun“ gewählt. Die Sturmvorbereitungen dauerten drei Tage.



Der Stab des II. Sektors „Innenstadt“ vor dem Sturmangriff auf „Klein-PAST“


          An dem Sturmangriff nahmen folgende Trupps teil: der Sturmtrupp unter der Leitung vom Unterleutnant Tadeusz Kuliczkowski „Stojewicz“ mit einer Gruppe von Pionieren von der 3. Kompanie des V. Bataillons vom Oberleutnant Roman Rozalowski „Siekiera“, der Sturmtrupp unter der Leitung vom Unterleutnant Jozef Falandysz „Chmara“ von der Kompanie „Lodecki“, das Kommando des Unterleutnants „Zbigniew“ von der Kompanie „Tadeusz“, das Kommando von der Kompanie „Kosma“ des Zugführers Fähnrichen Wladyslaw Mikulski „Miki“ und eine ausgesonderte Reserve von der Kompanie „Habdank“ des Unterleutnants Jerzy Gebski „Porecz“, die zusammen mit dem Trupp des Unterleutnants „Stojewicz“ angreifen sollte. Das 150. Kommando von der 5. Kompanie des Panzerbataillons „Golski“ unter der Leitung des Unterleutnants Henryk Rusinowski „Huragan“ besetzte die Barrikade an der Ecke der Pius IX. und Marszalkowska Straße. Dieser Trupp sollte von dieser Seite aus alle anderen angreifenden Trupps absichern und eventuell den Deutschen den Rückzugsweg versperren, falls diese hier fliehen wollten. Letztendlich nahmen an dem Sturmangriff die Trupps vom Bataillon „Ruczaj“, „Golski“ und vom V. Bataillon des Oberleutnants „Siekiera“ teil.
          Der Sturmplan sah voraus, dass „Klein-PAST“ von der West- und Frontseite aus angegriffen wird. Der Angriff von der Westseite vom Gebäude in der Pius IX. Straße heraus sollte durch zwei von Pionieren zu Beginn des Sturms geschaffene Mauerdurchbrüche geführt werden. Der Trupp vom Unterleutnant „Stojewicz“ sollte den höchsten Stock des Westhinterhauses von „Klein-PAST“ durch ein Loch im Dachgeschoss angreifen, ihm würde dann der Reservetrupp des Unterleutnants „Porecz“ folgen. Im ersten Stock des Westhinterhauses hatte aber der Trupp vom Unterleutnant „Nalecz“ die Aufgabe, den Feind im Hauptgebäude anzugreifen. Nach dem Sturm von der Westseite sollte der Trupp des Unterleutnants „Chmara“ die Verwirrung unter deutschen Soldaten ausnutzen und das Eingangstor von der Pius IX. Straße aus einstürmen. Sollte der Sturm misslingen, plante man, den Front des Gebäudes mit einer Motopumpe mit Benzin zu begießen.
          In der Nacht vom 21. auf den 22. August, um 2.45 Uhr begannen die zum Angriff bereiten Trupps ihre Stellungen einzunehmen. Auf dem Dach legte man die Telefon- und Stromleitungen lahm. Um 4.15 Uhr detonierten die Pioniere Sprengstoffladungen, die von der Westseite befestigt wurden. Leider war der nach der Explosion entstandene Durchbruch so klein, dass sich die Soldaten einzeln durchzwängen mussten. Als erster gelang in das „Klein-PAST-Gebäude“ der Unterleutnant „Stojewicz“. Er erlitt sofort schwere Verletzungen, und zwei andere, zusammen mit ihm angreifende, wurden getötet. Die Deutschen eröffneten in Richtung des Mauerdurchbruchs heftiges Feuer, das den weiteren Angriff seitens der Polen stoppte.
          Gleichzeitig griff der Trupp des Unterleutnants „Nalecz“ im ersten Stock an. Vor den Kämpfern eröffnete sich ein Durchbruch, dessen Durchmesser 1,5 Meter betrug. Bevor der Zugang zum Durchbruch gereinigt wurde, wurden die in den Stock kommenden Aufständischen von Deutschen mit Granaten beworfen. Die mit zwei Flammenwerfern ausgerüsteten und von einer Flammenwand geschützten Pioniere begannen einen Angriff, indem sie das Feuer auf den von Deutschen besetzten Flur richteten.



Der Flammenwerfer kommt zum Einsatz


          Die Flammenwerfer verfügten über eine Reichweite von 50 Metern, ihre Flammen erloschen leider schnell. Die Deutschen orientierten sich rasch in der Situation und begannen, den Mauerdurchbruch zu beschießen, die Aufständischen erwiderten mit Granaten und Schüssen. Der Angriff in dieser Richtung endete auch mit einer Niederlage, weil die Deutschen unter Feuerschutz den Durchbruch mit eisernen Schränken bedeckten. Um circa 7 Uhr entfachten die Polen im Westhinterhaus von „Klein-PAST“ mit Hilfe der Flammenwerfer und Benzinflaschen ein Feuer. Während des gegenseitigen Beschusses ist der Schütze Jerzy Wozniak „Kaktus“ ums Leben gekommen. Da die Seitenangriffe misslungen waren, kam es nicht mehr zum Sturmangriff auf das „Klein-PAST-Gebäude“ von der Frontseite aus.
          Die Aufständischen stellten gegenüber dem Gebäude einen Lautsprecher auf. Von dem Lautsprecher kam ein Aufruf in der deutschen Sprache, der die Sinnlosigkeit der Verteidigung erklärte und die Deutschen um Kapitulation bat. Als Antwort kamen nur Serien vom Maschinengewehr.
          Um circa 9 Uhr am Morgen befahl der Kapitän „Piorun“, eine Motopumpe zu benutzen. Die Deutschen hinderten jedoch den Angriff. Zuerst durchschoss ein deutscher Scharfschütze die Döse der Motopumpe – einen Teil des Rohrs mit dem Durchmesser von 3-4 Zentimetern, dann wurde der die Döse bedienende Soldat am Kopf verletzt. Die Deutschen beschädigten aber später auch die reparierte Döse. Nach der nächsten Reparatur konnte man endlich die Wand des Hauptgebäudes mit Benzin begießen.



Die Begießung des Gebäudes mit Benzin


          Während des deutschen Beschusses bewarfen die Aufständischen von der anderen Straßenseite das Gebäude mit Granaten und Benzinflaschen, die ein Feuer unter den Deutschen entfachten. Das Gebäude stand in Flammen, und der Brand umfasste zwei Stockwerke. Leider wurde die Döse wieder durchlöchert und die Motopumpe hörte auf, zu funktionieren. Die Flammen erloschen bald, nur das westliche Hinterhaus brannte noch. Die Aufständischen konnten die sich im „Klein-PAST-Gebäude“ befindenden Deutschen nicht zur Kapitulation zwingen. Am Nachmittag hängten die Deutschen ans Gebäude eine gelbe Fahne auf – als Zeichen einer ernsten Bedrohung, und aufs Dach legten sie ein riesiges Tuch mit einem Hakenkreuz aus. Dieses Tuch wurde von einem deutschen Flugzeug bemerkt, das heranflog und begann, über dem brennenden Hinterhaus zu kreisen.



Der Fuhrpark im Hinteren des Gebäudes brennt


          Um 18 Uhr führten die Deutschen einen Angriff durch, um zu den im „Klein-PAST-Gebäude“ belagerten Soldaten zu gelangen. Die Polizeitrupps und eine Kompanie der Ukrainer, unterstützt von zwei Panzern griffen die Chopina und Pius IX. Straße an. Die Aufständischen konnten aber den Angriff stoppen. Die vom Pantherpanzer unterstützte deutsche Infanterie griff auch die Koszykowa Straße an. Der Fähnrich Jerzy Przezmiecki „Rymwid“ benutzte einen Granatwerfer und beschädigte den Panzer. Die Infanterie wurde mit Granaten beworfen und zum Rückzug gezwungen. Die Deutschen erlitten ernste Verluste.



Ein von Aufständischen erschossener Feldjäger, nach seinem Tod wurde er vom deutschen Panzer überfahren


          Am Abend des 22. Augusts nahm der deutsche Leiter von „Klein-PAST“ der SS-Mann Oberleutnant Jung die Gespräche mit dem Kapitän „Piorun“ auf. Der Oberleutnant Jung wollte, dass die Aufständischen die Evakuierung des deutschen Trupps, zusammen mit seinem Gewehr, zum Hauptbahnhof zulassen. Der Kapitän „Piorun“ sagte dem deutschen Boten, dass er fordert, die Waffen niederzulegen und bedingungslos zu kapitulieren. Die Gespräche wurden unterbrochen. In der Nacht ließ der Kapitän „Piorun“ noch eine Motopumpe in die Stadt bringen und setzte den nächsten Sturmangriff für den 23. August um 4 Uhr am Morgen fest.
          Um circa 2.20 Uhr am Morgen begannen die Deutschen, unbemerkt das Gebäude zu verlassen. Die Nacht war dunkel, es begann zu regnen. Die Flucht wurde von den Aufständischen bemerkt. Einer der Trupps des Bataillons „Ruczaj“ unter der Leitung vom Oberleutnant „Zbigniew“ drang ins Gebäude ein, nahm 23 Deutsche gefangen und befreite 22 Geiseln. Durch das Eingangstor gelang als nächster in das „Klein-PAST-Gebäude“ der Trupp des Unterleutnants „Huragan“ vom Bataillon „Golski“.

    

Der Kampf um das „Klein-PAST-Gebäude“


          Der Trupp nahm fünf Deutsche gefangen und befreite fünf polnische Technikmitarbeiter, die von den Deutschen am 1. August festgenommen wurden. Er eroberte vier Maschinengewehre des Typs „Zbrojowka“, 10 andere Gewehre und einen ziemlich großen Vorrat an Munition. Der dritte Trupp nahm während der Flucht elf Deutsche gefangen, nur ein Deutscher konnte entfliehen. Am Morgen gelang auch die Patrouille des Unterleutnants „Nalecz“ in das „Klein-PAST-Gebäude“. „Nalecz“ ging nach oben zum Dachgeschoss, um zum ersten Mal die gestrigen Kampfstellungen von der Seite des Feindes aus zu inspizieren.
          Auf dem Fußboden lagen die Leichen des Unterleutnants „Stojewicz“ und seiner zwei Soldaten. „Stojewicz“ musste schwer verletzt gewesen sein, auf dem Bauch hatte er seltsame Verletzungen, vielleicht Risswunden. Er lag barfuß auf dem Boden, neben den getöteten Soldaten, er hatte nur eine Hose an, die ganze Kleidung war voller Blut. Alle persönlichen Sachen der Toten wurden gestohlen. Der Unterleutnant „Nalecz“ wickelte die Leichen in Decken um, und ging dann nach unten in die Garagen, wo sich in den Kanälen mit Kalk bestreute Leichen deutscher Soldaten befanden. Während der Durchsuchung von Gefangenen fand man bei einem von ihnen das Portmonee vom Unterleutnant „Stojewicz“. Der später von den Mitgliedern des Staatlichen Sicherheitskorps verhörte Deutsche sagte aus, dass „Stojewicz“ vor seinem Tod vom Oberleutnant Jung gefoltert worden sei.
          Die Deutschen flohen aus dem Gebäude in einigen Gruppen. Die Barrikade an der Ecke der Pius IX. und Krucza Straße war nicht von den Aufständischen besetzt, da sie vorher vom Feind beschossen wurde, was wiederum den Deutschen die Flucht erleichterte.
          Der Schütze Jacek Szomanski „Bolesta“ von der Kompanie „Tadeusz“ vom Bataillon „Ruczaj“ erinnert sich: „Die Wache an der Barrikade quer der Koszykowa Straße an der Ecke der Mokotowska Straße übernahmen wir um 13 Uhr. Dort befand sich ein in die Barrikade eingebauter Bunker aus Bürgersteigplatten und Sandsäcken (…). Zur ständiger Ausrüstung gehörte das Maschinengewehr ELKAEM (…). Außerdem hatten wir noch zwei Gewehre. Von meinem Gewehr, das ich in der Jerozolimskie-Allee erobert habe, trennte ich mich nie. Wir waren auf der Wache zu fünft. (…) Vor der Abenddämmerung brachte uns eine Meldegängerin ein Kennwort und wir stellten einen bewaffneten Wärter außerhalb des Bunkers auf. Um circa 21 Uhr hielt er zwei von den Unsrigen an, die in Richtung des Zbawiciela-Platzes gingen. (…) Eine Stunde später, also um circa 22 Uhr bemerkte der Wärter jemanden, der sich von der Pius IX. Straße näherte. Der Wärter rief „Stehenbleiben! Wer ist da?“, man antwortete „Die Unseren!“ – es mussten mehrere Personen gewesen sein. Er forderte sie auf, sich zu nähern und das Kennwort zu geben. In diesem Moment wurden wir heftig mit Maschinengewehren von der Chopina Straße aus beschossen. (...) Ich sprang auf und begann im Stehen, die sich Nähenden mit meinem Gewehr zu beschießen. Die Deutschen rannten nicht, sie gingen, der nächste war nur ein paar Meter entfernt. Ich traf ihn am Bauch, aber er machte noch einen, zwei Schritte nach vorn, so schoss ich noch mal und er fiel um. Die ihm in einer Schützenlinie Folgenden fielen auch um, ich legte mich im Bunker hinter einen Sandsack, der eine Schwelle bildete und schoss zu allem, was sich in der Mokotowska Straße und am gegenüberliegenden Bürgersteig bewegte. Nur ein Deutscher erwiderte mit Feuer, er traf einen Träger an der Decke unseres Bunkers und die Splittern verletzten mich an der Wade. (…) Er verriet sich aber mit diesen Schüssen und ich konnte ihn unschädlich machen.“ Die Aufständischen erschossen hier fünf Deutsche und verloren dabei drei eigene Soldaten. Für seine tapfere Haltung wurde der Schütze Jacek Szomanski „Bolesta“ mit dem Kämpferkreuz ausgezeichnet.
          Die erste Gruppe der fliehenden Deutschen passierte die Barrikade in der Krucza Straße, indem sie sich als Aufständische hingaben. Der erste von ihnen hatte eine weiß-rote Binde auf seinem Helm. So drang höchstwahrscheinlich der Leiter von „Klein-PAST“ der SS-Mann Oberleutnant Jung. Die weiteren Gruppen von Deutschen, die das Gebäude verließen, liefen in Richtung der Krucza Straße, schossen um sich herum und warfen Granaten. Einige von ihnen wurden von Soldaten des 136. Kommando „Poczta“ getötet, und andere passierten die Barrikade und liefen weiter in Richtung der Mokotowska, Chopina und Koszykowa Straße.
          Der Rest der aus „Klein-PAST“ in Kleingruppen fliehenden Deutschen zerstreute sich auf einem Platz zwischen Mokotowska, Krucza und Pius IX. Straße. In der Nacht begannen sie, weitere Fluchtwege zu suchen. Das Kommando vom Unterleutnant Jerzy Gebski „Porecz“ umgab die Deutschen und zwang sie nach einer kurzen Abwehr zur Kapitulation. Im Laufe des Tages nahmen die Aufständischen weitere Gruppen von Deutschen gefangen. Acht Deutsche versuchten in Richtung des Zbawiciela-Platzes zu fliehen. Zwei von ihnen tötete der Feldwebel „Szkapa“ von der Kompanie „Lodecki“ vom Bataillon „Ruczaj“. Er wurde jedoch selbst schwer am Hals verletzt. Die restlichen sechs Deutschen passierten die Barrikade und gelangen zum Zbawiciela-Platz, wo sich eine deutsche Wache befand.
          Die deutschen Gefangenen sagten aus, dass sich am 1. August in „Klein-PAST“ nur 75 Postbeamte befanden. Nach dem Ausbruch des Aufstands kamen ins Gebäude 8 Unteroffiziere und 1 Offizier der Wehrmacht, in der Nacht vom 1. auf den 2. August – 1 Offizier der SS und 32 Schützen. Insgesamt umfasste die deutsche Besatzung von „Klein-PAST“ 117 Personen. Die Deutschen hatten über 180 Gewehre und Maschinenpistolen, 250 Granaten, 4 Panzerfäuste und eine Leuchtpistole. Gefangen genommen wurden (laut verschiedenen Dokumenten und Berichten) 65-76 Soldaten, getötet: circa 18-21 Deutsche, circa 15 mit dem Leiter Oberleutnant Jung sind geflohen und an deutsche Stellungen gelangt.

    



    

Deutsche Gefangene nach dem Sturmangriff auf „Klein-PAST“


          Auf der polnischen Seite wurden 25 Aufständische getötet.
          Die Erstürmung von „Klein-PAST“ endete nach ganztägigen Kämpfen mit einem wunderbaren Erfolg. Der deutsche Widerstandspunkt wurde erobert.

    

Vor dem erstürmten Gebäude                                                 Das Schlachtfeld



    

Ein im Kampf zerstörter deutscher Panzer (Fiat M14/41 italienischer Herstellung)


          Der Sturmleiter Kapitän Franciszek Malik „Piorun“ wurde mit dem Orden Virtuti Militari der V. Klasse ausgezeichnet, der Unterleutnant Ingenieur Michal Tadeusz Slominski „Tadeusz Czarny“ erhielt das Kämpferkreuz und den Orden Virtuti Militari der V. Klasse. Viele Soldaten vom Bataillon „Ruczaj“ erhielten zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem Unterleutnant „Nalecz“. Das „Klein-PAST-Gebäude“ wurde nur leicht zerstört, im Gegensatz zum „PAST-Gebäude“ in der Zielona-Straße.

    

Die Landschaft nach der Schlacht



    

Kriegsbeute


          Nach der Evakuierung der Leitung der Polnischen Heimatarmee (KG AK) aus der nördlichen Innenstadt wurde das „Klein-PAST-Gebäude“ ihr letztes Quartier vor der Kapitulation des Aufstands. Die Leitung der AK wechselte mehrmals ihren Sitz. Sie stationierte mit der Entwicklung der Situation folgendermaßen:
          1-6. August 1944 in der Kamler-Fabrik, die Ecke Okopowa und Dzielna Straße, Wola,
          6-13. August in der Schule in der Barokowa Straße 6, Altstadt,
          13-25. August im Gebäude des Justizministeriums in der Dluga Straße 7, Altstadt,
          26.August – 5. September im PKO-Gebäude, Swietokrzyska-Straße, die Ecke Jasna-Straße, nördliche Innenstadt,
          seit dem 6. September 1944 im „Klein-PAST-Gebäude“ in der Pius IX. Straße 17, südliche Innenstadt.
          Heutzutage befindet sich im „Klein-PAST-Gebäude“ eine Telefonzentrale, und an der Wand des Gebäudes wurde eine Gedenktafel angebracht, die an die Erstürmung des Gebäudes durch die Aufständischen erinnert.



Bearbeitung: Adam Rozmyslowicz

Redaktion: Maciej Janaszek-Seydlitz


Übersetzung: Magdalena Gorczak


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