Verteidigung des Stadtteils Wola im September 1939

          Am 30 Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Kurz danach begann er seinen diktatorischen Regierungsstill zu verwirklichen und wurde zum Führer des III Reiches. Gleich nach seiner Machtergreifung begann Hitler seine Idee der deutschen Vorherrschaft über Europa und der Erweiterung des Lebensraums - Drang nach Osten in die Tat umzusetzen.
          Am 21 Oktober erklärte Deutschland seinen Austritt aus dem Völkerbund, dessen Mitglied es im September 1926 geworden war. Der Völkerbund wurde nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, im Jahre 1920 ins Leben gerufen. Der Bund, dessen Hauptziel es war, den Weltfrieden zu sichern, umfasste über 60 Mitgliedstaaten.
          Nach dem Austritt aus dem Völkerbund begann Deutschland in aller Öffentlichkeit seine Militärmacht auszubauen und missachtete somit die Bestimmungen des Versailler Vertrags. Im März 1935 wurde das so genannte Militärgesetz in Deutschland verabschiedet, gemäß dessen die Wehrmachtstärke um das Dreifache erhöht und die Wehrpflicht eingeführt wurde. Im Juni 1935 wurde zwischen Deutschland und Großbritannien das so genannte Meeresabkommen unterzeichnet, das Deutschland ermöglichte, seine Kriegsmarine öffentlich auszubauen. Die Rüstungsindustrie wurde zur Massenproduktion von Kanonen, Panzern und Kampfflugzeugen eingesetzt.





Produktion von deutschem schwerem Maschinengewehr und Jägerflugzeugen


          Am 13 März wurde der Anschluss Österreichs vollzogen. Am 14 März 1938 ließ Hitler das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs (als Ostmark) mit dem Deutschen Reich verabschieden. Somit wurden die Bestrebungen von manchen politischen Kreisen der beiden Staaten, die bereits gleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs formuliert worden waren, realisiert.
          Indem Hitler seine weitreichenden Pläne realisierte, erhob er nun seine Ansprüche gegen die Tschechoslowakei. Zuerst verlangte er, das Sudetenland, das Teil der Tschechoslowakei war und in großem Grade von der deutschen Minderheit bewohnt war, dem Dritten Reich anzuschließen.
          Die deutschen Forderungen wurden während der Münchener Konferenz am 29-30 September 1938 artikuliert. An der Konferenz nahmen, außer Deutschland (A. Hitler) auch Vertreter der italienischen Regierung (B. Mussolini), von Frankreich (E. Daladier) und Großbritannien (A. N. Chambarlain) teil. Am 30 September 1938 wurde ohne Teilnahme der Hauptinteressierten (der Prager Regierung) ein diesbezügliches Abkommen unterzeichnet. Unter dem Druck der Westmächte sah sich die Tschechoslowakei dazu gezwungen, den Deutschen das Sudetenland preiszugeben.





Deutsche Minderheit begrüßt die Wehrmachttruppen, die in das Sudetenland einmarschieren


          Damit war aber die Teilung der Tschechoslowakei noch nicht zu Ende. Polen nutzte die Gelegenheit aus und erzwang von der Tschechoslowakei die Rückgabe des Olsagebiets, das bereits von 1919 bis 1920 Gegenstand des Streites zwischen den beiden Staaten gewesen war. Nach einem polnischen Ultimatum wurde das Olsagebiet von den polnischen Truppen zwischen dem 2-11 Oktober 1938 übernommen. Am 2 November 1938 besetzte Ungarn den südlichen Teil der Slowakei und die Karpatenukraine. Am 16 März 1939 wurden die restlichen Gebiete der Tschechoslowakei als Protektorat Böhmen und Mähren dem Dritten Reich angegliedert. Auf dem Territorium der Slowakei wurde die pro-deutsche Erste Slowakische Republik ins Leben gerufen.



Deutschen auf dem Prager Hradschin

          Dank der Übernahme des Sudetenlandes hatte Deutschland Zutritt zu gut befestigten Gebieten und verfügte über große Industriebetriebe – Skoda-Werke, deren Produktionskapazität der damaligen Rüstungsindustrie von England gleich war.

          Nun war Polen als Nächstes an der Reihe. Die polnische Regierung hat den deutschen Forderungen, die unter anderen den Status von Danzig und den so genannten Danziger Korridor (auch Polnischer oder Weichselkorridor genannt) betrafen, nicht nachgegeben. Deutschland nahm Verhandlungen mit dem östlichen Nachbarn Polens auf, die es zum Ziel hatten, gemeinsame Richtlinien in politischen und militärischen Fragen im Hinblick auf die Republik Polen zu entwickeln. Am 23 August 1939 wurde in Moskau der „Deutsch-Sowjetische Nichtsangriffspakt zwischen dem Dritten Reich und Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als „Ribbentrop-Molotow Pakt“ bekannt, unterzeichnet. Ein Bestandteil des Aktes war ein Geheimprotokoll über die Einteilung der Einflußzonen. Die baltischen Staaten: Lettland, Finnland und Estland wie auch Bessarabien sollten innerhalb der Einflußzone der UdSSR liegen. Im Falle Polens verlief die Grenzlinie entlang der Flüsse: Narew, Weichsel und San.


Stalin u.a. mit Ribbentrop

          Der Ausbruch des Krieges gegen Polen war nun nur eine Frage von buchstäblich wenigen Tagen.
          „...Vernichtung Polens im Vordergrund. Ziel ist Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie... Ich werde propagandistischen Anlaß zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Bei Beginn und Führung des Krieges kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg. Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen... Der Stärkere hat das Recht....
          So habe ich [...] meine Totenkopfverbände bereitgestellt, mit dem Befehl, unarmherzig und mitleidlos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung [...] in den Tod zu schicken."


          Am 1 September 1939, bei Tagesanbruch überfielen die deutschen Truppen Polen (Fall „Weiß“) von der nördlichen, westlichen und südlichen Seite. Die deutschen Landstreitkräfte, die Polen angriffen, zählten 1,8 Millionen Soldaten, 11 tausend Kanonen, 2,8 tausend Panzer und circa 2 tausend Flugzeuge.


Panzerschiff und Linienschiff „Schleswig- Holstein“ beschießt Westerplatte

          Polen stellte circa 950 tausend Soldaten, 4,3 tausend Kanonen, 474 Panzer und 463 Flugzeuge bereit. Das Kräfteverhältnis war für Polen in jeder Hinsicht ungünstig. Dieses veränderte sich noch mehr zu Ungunsten Polens, nachdem die Rote Armee am 17 September 1939 in den Krieg eingetreten war und Polen von Osten aus überfallen hatte. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung war nun eindeutig– Polen hatte keine Chancen in diesem Kampf. Zwei riesige totalitäre Staaten mit der Gesamtbevölkerung von circa 270 Millionen Menschen traten den Truppen der Republik Polen entgegen, die von knapp 35 Millionen Menschen bewohnt war.


Deutsche und sowjetische Generale bei der Siegesparade (Truppenparade) in Brest-Litowsk am 22 September 1939

          Die deutschen Truppen rückten vorwärts, indem sie ihre Überzahl an Mann und militärischer Ausrüstung in vollem Umfang einsetzten. Die polnischen Armeen zogen sich in schweren Kämpfen zurück. Die Front näherte sich langsam in Richtung Warschau. Vom ersten Tag der Kampfhandlungen wurde die Hauptstadt Polens ununterbrochen bombardiert. Den deutschen Bombern und Jagdflugzeugen standen lediglich 50 polnische Kampfflugzeuge entgegen. Diese haben in den ersten Tagen des Septembers circa 50 Maschinen des Feindes abgeschossen und 20 weitere beschädigt. Leider betrugen die Eigenverluste 38 Maschinen, was zur Folge hatte, dass Warschau praktisch über keinen Schutz gegen die Luftangriffe verfügte. Die Verteidigung der Stadt vor den Bombardierungen war nun vollkommen von den Flugzeugabwehrkanonen abhängig. Ihre Mannschaft wurde dieser Aufgabe gerecht; bei der Verteidigung Warschaus wurden 106 deutsche Flugzeuge abgeschossen. Leider gelang es trotz aller Mühe der polnischen Flieger und Artilleristen nicht, die Hauptstadt vor den Bombardierungen zu schützen, die schwere Schäden an Militärobjekten und insbesondere an Zivilobjekten verursacht hatten.

          Am zweiten September zogen die Truppen des XVI Panzerkorps der deutschen 10 Armee nach Überwindung der polnischen Verteidigung in der Nähe von Tschenstochau in Richtung Warschau. Nach den Kämpfen am 5 und 6 September bei Piotrków Trybunalski (Petrikau) und Tomaszów Mazowiecki „bahnte sich“ der Korps einen freien Weg zur Hauptstadt. Die Vierte Panzerdivision unter Führung des Generals Georg Hans Reinhard, die Teil des Korps war, startete ihr „Panzer-Rennen“ in Richtung Warschau. Die Division verfügte über circa 260 Panzer, 4 Bataillonen der motorisierten Infanterie und circa 36 Kanonen. General Reinhardt berücksichtigte in seinen Plänen keinen stärkeren Widerstand in Warschau.


Deutsche Panzer in der Nähe Warschaus

          Am 4 September wurde die Entscheidung über die partielle Evakuierung der Vertreter der polnischen Regierung sowie der Zentralämter aus Warschau nach Lublin und in die nahe gelegenen Regionen getroffen. Am 5 September, am Abend verließ Ignacy Mościcki Warschau und begab sich nach Lubartów. In der Nacht vom 6/7 September um circa 2.00 Uhr verlässt auch die Regierung die Hauptstadt und begibt sich nach Łuck. Der Oberbefehlshaber, Marschall E. Rydz- Śmigły fährt nach Brześć (Briest am Fluss Bug). In Warschau bleibt sein Stabchef, Brigadegeneral Wacław Stachiewicz.

          Nach Warschau kamen inzwischen neue Verstärkungen. Am 7 September 1939 wurde die Hauptstadt Polens unter anderen von zwei Bataillonen: 2 und 3 des 40 Infanterieregiments „Kinder von Lwiw/Lemberg“ unter Führung des Oberstleutnants Józef Kalandyk verstärkt.


Auszeichnung 40 des Regiments von“Lwiw Kinder”

          Sie wurden in Eile in Richtung „Warschau Westen” mit solchen Stadteilen wie Rakowiec, Ochota und Wola, zugewiesen. Die 7 Kompanie des 40 Infanteriekorps nahm zusammen mit einer Artillerie-Batterie die Stellungen an den beiden Seiten der Górczewska- Straße ein.


Polnische Pioniereinheiten in der Górczewska- Straße

          Die 5 Kompanie besetzte die Strecke zwischen der Wolska-Straße und dem Bahngleis und die 8 VIII Kompanie mit einer Abteilung von Panzerabwehrkanonen die Reduta 56 (Schanze 56), auch als Sowiński- Reduta bekannt, am Zusammentreffen der Wolska, Elekcyjna und Redutowa- Straße. Am südlich-westlichen Rande der Schanze stand außerhalb verstärkten Mauern die kleine St. Laurentinus- Kirche.


St. Laurentinus- Kirche – Reduta 56

          Nachdem Oberstleutnant Pacak an Ort und Stelle angekommen war, begann er gleich, die Strecke auf die Verteidigung vorzubereiten. Mit den einzelnen Zugführern besprach er ausführlich die Feuerrichtungen, Verteilung von Panzerkanonen, Maschinengewehr, Granatwerfern und einzelnen Soldaten. Mit dem Kommandanten der Maschinengewehr -Kompanie diskutierte er dagegen die Frage der Feuerunterstützung für schweres Maschinengewehr und Mörser. Mit den Führern der Artillerie- die Unterstützung der Artillerie.


Oberstleutnant Zdzisław Pacak

          Oberstleutnant Pacak erinnert sich:
          „ Entlang des Vorfelds erstrecken sich weite Gemüsefelder, am befestigten Weg gibt es einen Stacheldraht. Der Wall der Schanze ist ziemlich hoch, etwa 6 Meter, gerechnet vom niedrigsten Punkt des Grunds, der entlang des Grabens verläuft. In der Nähe Erdgeschoss- Wirtschaftgebäude, kleine Mauerhäuser und Gärten. Dahinten, etwa zweieinhalb Meter hinter dem Wall, der einen orthodoxen Friedhof umgibt, steht ein Mauerzaun… Rechts von dem Verteidigungswall befand sich bereits der Abschnitt der 7 Kompanie… .Das Sturmgeschütz hatte ein breites Schussfeld hier.
          An der linken Seite der Wolska-Straße bildete die Fabrik „Dobrolin“ den Hauptausgangspunkt.... Von dort aus, her von der Jan Kazimierz- Straße verlief der Verteidigungsabschnitt der 5 Kompanie des II Bataillons …Dicht an der Wolska- Straße war die Fahrradfabrik (von Kamiński) situiert."



Abschnitt, der unter Führung des Oberstleutnants Pacak verteidigt wurde (Karten- Layout 1939)

          Die Wolska- Straße entlang, innerhalb der Fabrik „Dobrolin“, in der Wolska-Straße 157/163 war eine Barrikade aus zwei Straßenbahnen errichtet worden. Diese lagen quer entlang der Straße und waren mit Steinen gefüllt. An den beiden Seiten wurden Balken aus Eisen eingegraben und inmitten der Barrikade wurde ein enger Durchgang mit einer Breite von einem Wagen freigelassen. Ein Team von Bombenentschärfern errichtete ein Stacheldrahtverhau und einen Panzergraben. Dahinten, gegenüber der Kirche waren die SMG- Stellungen und zwei Panzerabwehrkanonen situiert.
          Die Bewohner von Wola arbeiten mit regulären Truppen ausgezeichnet zusammen. Unzählige Freiwilligen melden sich, die nach dem Erhalten von Waffen die einzelnen Unterabteilungen verstärken, die eine gewisse Strecke besetzen. Mannschaften, die Feuer löschen sollen, werden gebildet, bewaffnete Streifendienste mit Armband sichern die verlassenen Häuser und Wohnungen vor Diebstahl. Die gebildeten Streifendienste suchen nach Diversanten und Saboteuren, die mit den unzähligen Flüchtlingen möglicherweise das Gelände betreten könnten. Viele Bewohner beteiligen sich freiwillig an Arbeiten bei Panzergräben oder dem Errichten von Panzerbarrikaden. Es gibt so viele Freiwillige, dass nicht alle mit entsprechender Ausrüstung ausgestattet werden können.

          Innerhalb der Chemiefabrik „Dobrolin” gab es große Mengen von Fässern voller Terpentin.


Fabrik "Dobrolin"

          Im Falle eines Luftangriffs stellen diese eine Gefahr für die in der Nähe situierten Barrikaden und Wohnblöcke dar. Oberstleutnant Pacak nutzte diese auf eine unkonventionelle Art und Weise für die Verteidigung am Vorfeld an der Schanze 56.(Reduta 56).


Terpentinfässer

          Der Führer der Strecke beschloss, diese entlang der Wolska- Straße weit hin zum Vorfeld hinrollen zu lassen, wo bei Gefechten die Stellungen des Feindes situiert wären. Hunderte von solchen Fässern wurden hinausgerollt. Es stellte sich zusätzlich heraus, dass es riesige Terpentinbehälter innerhalb der Fabrik gab. Da wusste man leider keinen Rat mehr.
          Während die Fässer zum Vorfeld hingerollt wurden, kamen deutsche Flugzeuge über dem Vorfeld angeflogen und warfen Bomben in der Nähe der Fabrik ab. Weitere noch auf dem Gelände übrig gebliebene Fässer brachen in Flammen aus. Oberstleutnant Pasak befahl somit, die Abteilungen aus der Fabrik unverzüglich zu evakuieren. Die Mannschaften, die das Feuer löschten, führten die Aktion reibungslos durch und das Feuer wurde im Nu unter Kontrolle gebracht.

          In die Hauptstadt kamen nach wie vor neue Wellen von Flüchtlingen. Sie kamen massenweise in den Stadtteil Wola durch einen Durchgang an der Barrikade. Dies war für die Verteidigung äußerst gefährlich, weil auch der Feind diese Situation ausnutzen konnte, um mit den Flüchtlingen unerwartet reinzukommen. Trotz der Anordnungen der Kommandobehörde, die Barrikade zu sperren, ging Oberstleutnant Pacak doch das Risiko ein. Er wollte es nicht zulassen, Unmengen von hilflosen Menschen im Vorfeld ohne Schutz zu lassen. Nach wie vor wurde die Strecke hektisch verstärkt. So vergingen zwei Tage: der siebte und achte September.

          Nach einem einhundert Kilometer langen Marsch, am 8 September um 17 Uhr griffen die Vortruppen der deutschen 4 Panzerdivision die östlich-westlichen Vorstadtgebiete Warschaus an. Die Deutschen waren sicher, dass es ihnen gelingen würde, Warschau „aus der Bewegung“ heraus zu nehmen.


Deutschen im Stadtteil - Wola

          Die Panzer waren mit Fahnen mit Swastika verziert. Der Angriff erstreckte sich auf den Stadtteil Ochota entlang der Grójecka- Straße. Der Ansturm brach aber im heftigen Feuer der polnischen Artillerie und der Panzerabwehrkanonen zusammen. Einige Panzer wurden beschädigt. Die restlichen zogen sich samt der Infanterie zurück.

          Die Deutschen griffen erneut am 9 September an. Nach der Bombardierung um 4.45 und der Artillerievorbereitung kam es um 07.45 zu einem wiederholten Ansturm mit 25-30 Panzern. Die Kämpfe wurden in der Grójecka, Żwirko und Wigura, Szczęśliwa- Straße und am Narutowicz-Platz ausgetragen. Alle Angriffe wurden abgeschlagen. Die Deutschen erlitten erhebliche Verluste an Menschen und Ausrüstung. Angesichts der gescheiterten Attacken im Stadtteil Ochota hat General Reinhardt einen Versuch vorgenommen, gegen den Stadtteil Wola anzustürmen. Die erbittertsten Kämpfe wurden entlang des Verteidigungsstreifens der 8 Kompanie ausgetragen.

          Oberstleutnant Zdzisław Pacak erinnert sich:           „Es dämmerte, es war der 9 September. Nach Aussagen der Flüchtlinge sei der Feind nicht weit von uns entfernt ... Volle Einsatzbereitschaft.... Ich gebe den Befehl, den Wachdienst zu verstärken. .Ich mache bekannt, dass Feuer nur auf meinen ausdrücklichen Befehl zu eröffnen sei. Ein Signal dazu soll der Klang einer Trompete sein, zugleich werden auch andere Fernkommunikationsmittel genutzt..... Ich nahm meine Stellung hinter der Barrikade, auf einem Wall in der Nähe einer kleinen Kirche. Bei mir steht der „Wachtrompeter“. Zur Hand, griffbereit - –ein Telefonapparat.
          Ein Soldat wartet. Volle Einsatzbereitschaft... Erkundungsdienst kommt zurück. Ich bekomme die Meldung: eine Panzerkolonne nähert sich, und ‚treibt’ dabei eine Welle von Flüchtlingen nach vorne....Die Flüchtlinge rennen wie im Galopp. Diejenigen, die sich noch auf der Straße befinden, eilen zu ihren oder nahe gelegenen Häusern. Aus der Ferne leuchtete eine dunkelbraun- grüne Flecke auf. Die erste. Die zweite. Panzer. Ich blickte auf den Trompeter. Er zitterte vor Aufregung.           Die Kolonne des Feindes eröffnete Maschinengewehrfeuer, von dem eine Unmenge der Flüchtlinge verfolgt wurde… Die Leichen der ersten getroffenen Menschen fielen auf die Straße. Panzer und Wagen speien Unmengen von Geschossen. In Panik fallen die Leute, die rennen, was ihre Beine hergeben, zu Boden, werden von fahrenden Wagen angefahren und Pferden angerempelt und versuchen aus allen Kräften, an die rettungsbringende Barrikade zu gelangen. Die Panzerkolonne ist aber schneller... Eine grauenhafte Stahlwalze erreicht die in Panik fliehende Menschenmenge; Menschen werden platt gewalzt. Die Raupen und Räder drücken die Leute zu Boden nieder. Wagen, Schubkarren, Kinderwagen werden zerquetscht....Wie umgekippte Puppen verschwinden die regungslosen erstarrten Leichen von Menschen und Tieren unter dem Druck des glühenden Stahls.
          Der größte Wunsch ist, den“ zum Tode verurteilten“ Kampfkameraden möglichst zur Rettung zu eilen. Wir müssen aber den Feind möglichst nahe an uns herankommen lassen. Auf den Blick dieses Gemetzels von unzähligen Menschen beiße ich mich auf die Zunge... Die Panzerkolonne ist näher und näher ... Ich schaue hin und versuche die Feuerkraft des Feindes einzuschätzen. ... Mit Schadenfreude bestätige ich im Inneren, dass meine Voraussetzungen richtig waren. Der Feind hatte innerhalb eines kleinen Abschnitts allzu riesige Truppen zusammengerafft – wird aber nicht mehr in der Lage, diese in Schwung zu bringen. Nur die Spitze der Kolonne ist dazu fähig... ... Die Panzer sind näher und näher... Immer näher...
          Die Kolonne drängt gegen die Menschenmenge mit mörderischem Impetus an… Die Soldaten der Infanterie springen aus ihren Wagen runter, rennen hinter den Menschen ... Der Feind „reinigt“ den Raum vor dem Versuch, das letzte Hindernis zu überwinden, welches, in seinen Augen, die Barrikade sein würde, auf der sich die Straßenbahnen, Wagen und Balken auftürmen.



Deutsche Panzer beim Ansturm gegen Wola

          Die Menschenmenge löst sich auf. Es gibt immer mehrere Panzer und Panzerwagen. Die beginnen ihr Tempo zu verlangsamen. Sie nehmen wesentlich zu. Noch warten wir ab. Die Sekunden ziehen sich in die Länge. Ich schaue vor dem Feind nicht hinweg…. Entlang des ganzen Verteidigungsstreifens ist von unserer Seite her kaum ein Schuss gefallen… Der Trompeter steht dicht neben mir, steckt tief in der Grube, als ob er seiner Kunst keinen Glauben schenken wollte. Nervös steckt er das Mundstück in seine Trompete. Er starrt mich wie im Fieber an...
                    Die ersten Panzer und Motorrad – Soldaten sind bereits einhundert Meter von unserer Strecke entfernt. Länger darf man nicht warten. Ich werfe noch einen letzten Blick auf die Kolonne des Angreifers, die wie bei einer Militärparade sichtbar wird; eine Kolonne, die wegen und vor ihrer Stärke und ihrem Selbstvertrauen beinahe platzt.
- Trompeter! Signal!
          Es wurde heiß. Kaum waren die ersten Takte des Signals erschallen und schon hatte man den Eindruck, als hätte sich die Wolska-Straße inmitten einer Hölle befunden. Ein Hagel von Geschossen nagelte, zwang die Panzerkolonne zu Boden fest. Der Angriff erfolgte so unerwartet, dass die ganze Spitze der Kolonne, von Salven verfolgt, zum vollen Stillstand kam.
          Kaum möglich war in dieser Situation irgendwelche „Feintreffer“- Schüsse abzugeben, kaum kam in Frage eine Möglichkeit, das Ziel präzise zu wählen. Das Ziel war mächtig. Es umfasste die ganze Breite der Straße, erstreckte sich weit in deren Tiefe. Man musste sich beeilen! Beeilen!!!
          Fieberhaft wurden die einzelnen Ziele durch Artillerie, Panzerabwehrgeschütz und Mörser gewählt…Ein Soldat, der aus seinem Maschinengewehr massenweise schoss, gab Schüsse in ganzen Serien ab, ein Geschoss nach dem anderen, die ganze Breite der Kolonne entlang- weil er kein Ziel verfehlt hatte.

          Kurzerhand machte die Artillerie mit ihrem Feuerschießen den Deutschen kaum möglich, sowohl Verstärkungen herbeizuholen als auch ihr schweres Maschinengewehr nach hinten zurückzuziehen. Flammen brachen hervor. Bereits drei Panzer waren am Anfang der Kolonne stecken geblieben und versperrten dabei den Weg. Deutsche Soldaten sprangen ab, eilten an den Wagen vorbei und suchten in Panik hinter den eisernen Wänden nach einem Schutz vor eindrängendem Feuer. Gellende Schreie und Rufe zerschnitten die Luft.
          Ich kannte kein Mitleid. Unter dem Feuer der Geschosse hörte ich denjenigen heulen, die noch vor einigen Minuten ihr Salvenfeuer gegen hilflose Menschenmengen eröffnet hatten. Nun hat sich das Blatt gewendet… Unsere Soldaten, die vor wenigen Minuten Zeugen dieses Gemetzels ihrer Einheimischen waren und auf ihr Moment der Revanche warteten, schwirrten sich nun wie die Bienen, waren recht geschäftig...
          Die Deutschen „erholten sich“ endlich vor der Überraschung. Ihr erster Gedanke war, die Barrikade zu forcieren. Sie fassten diesen Plan, in Realisierung dessen sie sich noch durch die Hilflosigkeit der hin und her tobenden Menschen bestätigt und bestärkt fühlten. Die Wagen zogen vorwärts, Schüsse wurden von Deutschen abgegeben... Der Ansturm gegen die Linie der Barrikade der verzweifelten Kolonne wurde mit jeder Minute intensiver und intensiver. Unter Schutz und bei Unterstützung von Panzerwagen setzt die Infanterie zum Sprung an.
          Unerwartet brechen die von uns bis zum Vorfeld hinausgerollten Terpentinfässer in Flammen aus. Flammen aus Panzern und Panzerrwagen verbreiten sich explosenartig. Die anfangs noch seltenen Flammen verbinden sich nun zu Feuersäulen, beginnen längst und zur Seite anzusteigen. bis die angehäuften lahm/ still gelegten Panzerwagen durch eine rote Lawine überflutet werden. Die Flammen dröhnen. Wir sehen, wie die Getöteten und Verletzten durch diesen Flächenbrand erreicht werden. Die Deutschen haben keine Zeit mehr, um aus ihren in Panik geöffneten Mannlöchern rauszuspringen, im Halbsprung werden sie von Flammen erreicht. Die Hilferufe werden immer intensiver. Die Flammen kennen kein Erbarmen.
          Die Terpentinfässer werden durch die immer stärkeren Flammen und Artillerieexplosionen in die Luft gesprengt. Diese fallen zu Boden und bilden Säulen aus Feuer. Das Meer von Terpentin breitete sich auf die Munitionswagen des Feindes aus. Das Dröhnen der in die Luft fliegenden Wagen wird durch das Feuers aus unserem Maschinengewehr übertönt...
          Der Feind stellte den Angriff ein. Bestürzt und betäubt suchte er nur noch nach einer Rettung… Die angreifende Maschinerie hatte an ihrem Schwung verloren. Die zerschlagene Kolonne ließ sich nur von einem einzigen Befehl leiten: seine eigene Haut retten.

          Auch ein Teil von Häusern steht bereits in Flammen…Unsere Artillerie hat einen Schutzwall errichtet, um eine Flucht zurück hin zum hinteren Teil der Kolonne unmöglich zu machen, und hat es so sorgfältig gemacht, dass die Fahrzeuge, die ganze Zeit her von der Marienkirche herankamen und deren Mannschaften von dem Gemetzel nichts wussten, sich aber an den Kämpfen doch beteiligen wollten, fielen da wie in eine Kluft runer. Die Todesschlucht verschlingt immer neue Maschinen. Der Raum voller zerschmetterter Panzerwagen wird breiter und breiter.
          Über dem von Schüssen dröhnenden Verteidigungsstreifen, hinter den roten Brandflammen, die uns wie mit einem Höllenbrand „umhüllen“, dicht über den Dächern lassen sich die feindlichen Flugzeuge hören. Sie sind bereits niedriger, halten Ausschau, ohne dabei doch in der Lage zu sein, die polnischen MG- Stellungen zu lokalisieren, so gleich danach fliegen sie zurück. Hinter ihnen- die anderen- mit demselben Misserfolg...
          Die Deutschen, ohne ihre Wachpunkte gelassen und nicht mehr in der Lage, erfolgreich den Feuerangriff fortzusetzen, schießen zwar stark und dicht, doch verfehlen ihre Ziele. Zwischen den einzelnen Häusern zusammengedrängt, durch Serien von Geschossen verfolgt, drehen sie sich wie im Kreise inmitten von riesigen Panzerkörpern. Dabei sehen sie eher verschreckten und erschrockenen Tieren ähnlich aus, und nicht wie ausgezeichnet geschulte Soldaten.
          Von hinten versuchen die ankommenden Panzer nach wie vor den Angriff zu unterstützen. Da sie noch keine Chance hatten, sich von der Stärke und Treffsicherheit unserer perfekt ausgeschulten Artilleristen zu überzeugen, stampfen doch den Weg entlang, indem sie sich inmitten ihrer eigenen militärischen Ausrüstung und Maschinen durchkämpfen. Dabei zertrampeln, zertreten sie ihre verletzten und gefallenen Kampfkameraden, um dann, von Geschossen getroffen, in Panik „im Rückwärtsgang“ sich zurückzuziehen, wobei sie gegen die von hinten ankommenden Maschinen prallen. Der deutsche Angriff bricht endlich vollkommen zusammen.
          Mit den Augen erfasste ich die Straße, um in der Ferne die herankommenden neuen Wagen zu erblicken. Trotz dem aufdringlichen Feuer und Rauch und des Gestanks des Brandgeruchs atmete ich erleichtert auf… Der Höhepunkt war gekommen. Da bot sich uns endlich die Möglichkeit, die Deutschen vollkommen fertig zu machen. Kurzerhand fasste ich den Beschluss: Befehl wurde gegeben - Zum Ansturm! Bajonette auf! Der Befehl erreichte die ganze Verteidigungslinie. Die Infanterie setzt zum Sprung an. Bajonette werden aufgesetzt, Soldaten der Infanterie springen hektisch von den Schützengräben raus.
          -- Hurra! Hurra! Hurra!
          Zugleich rasselten alle Maschinengewehre, die den Angriff der Infanterie unterstützten. Soldaten mit glänzenden Bajonetten wollten unbedingt nach vorne vordrängen ... Es kam zu kurzen, doch gewaltigen Gefechten. Diejenigen, die Widerstand zu leisten versuchten, wurden an Ort und Stelle gnadenlos liquidiert. ... Alle gingen zum Angriff über.
Offiziere mit einfachen Soldaten rannten nach vorne und schrieen im selben Ton; alle erfüllt von der Begehr, gegen den Feind vorzustoßen. Jedes Haus, jeder Hof bildete ein einzelnes, separates Gefechtfeld...“



Gedenktafel – Reduta 56 Schanze 56 (Foto Janina Mańkowska)

          Die deutschen Angriffe am 9 September in den Stadtteilen Ochota und Wola waren vollkommen gescheitert. Die kleinen Infanteriegruppen, die ohne Schutz von Panzern kämpfen mussten, wurden aus dem Vorfeld vertrieben. Insgesamt verloren die Deutschen innerhalb von zwei Tagen (am 8 und 9 September) 45 Panzer. Die weiteren 40 wurden beschädigt. Ein Teil davon wurde von den Deutschen herbeigeholt und wahrscheinlich repariert. Die 4 Panzerdivision verlor ein Drittel ihrer Panzer, mit denen der Ansturm begonnen worden war. Angesicht solch erheblicher Verluste sah sich General Reinhard dazu gezwungen, den Ansturm einzustellen und die Truppen hin zu Ausgangsstellungen zu evakuieren. Er kam zu dem Schluss, dass es unmöglich sei, ohne schwere Artillerie, Flammenwerfer und Sonderausrüstung für Pioniere in die Stadt einzubrechen.

          Die Deutschen versuchten, nach anderen schwachen Positionen der polnischen Verteidigung zu suchen. Angesichts wiederholter Misserfolge verzichteten sie darauf, gegen die Stadt anzustürmen und begannen mit der Belagerung Warschaus. Am 15 September begannen die Deutschen, den Belagerungsring um Warschau zu schließen. Die Stadt wurde von nun an ununterbrochen bombardiert und stand unter Beschuss der Artillerie. Einige Zeit herrschte relative Ruhe. Die Deutschen konzentrierten sich darauf, die polnischen Militärkräften, mit denen General Kutrzeba sich nach Warschau durchzubrechen versuchte, am Fluss Bzura zu liquidieren. Am 17 September wurde in der Stadt - wie ein Blitz aus heiterem Himmel - die Nachricht gegeben, dass die polnischen Ostgebiete (Kresy Wschodnie) von Sowjeten besetzt wurden. Polen fiel zum Opfer eines Angriffs seitens zwei Aggressoren. Dies hatte aber keinen sonderbaren Einfluss auf die Stimmungen der Warschauer, verschlimmerte aber die Lage der nach wie vor erbittert kämpfenden polnischen Truppen im Lande.

          Am Morgen des 20 Septembers brachen die restlichen Truppen der Armee „Poznań“ unter Führung des Generals Kutrzeba her aus Laski und Wólka Węglowa hin nach Warschau durch. Der Belagerungsring um Warschau wurde endgültig geschlossen und die Deutschen trafen nun Vorbereitungen darauf, einen Generalangriff gegen die Stadt zu starten.

          Am 24 September 1939 hielt der Präsident von Warschau Stefan Starzyński seine bekante Rede im Rundfunk, in der er sagte:
          „Ich wollte, dass Warschau groß würde. Ich glaubte, es wird groß. Ich und meine Mitarbeiter haben Pläne entworfen und Skizzen von Großwarschau erstellt.
          Und Warschau ist in der Tat groß. Dies hat sich früher verwirklicht, als wir es angenommen haben. Nicht in 50 Jahren, nicht mal in 100 Jahren, sondern heute bin ich Zeuge von Großwarschau.
          Wenn ich jetzt an Euch meine Worte richte, sehe durch die Fenster in seiner Größe und Herrlichkeit, ein Warschau, das durch Rauchwolken umgeben und von roten Feuerflammen geblendet ist, ein prachtvolles, unzerstörbares, großes, kämpfendes Warschau...“


          Am 25 September begannen die Deutschen intensive Bombardierungen Warschaus von einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Über 400 deutsche Bomberflugzeuge waren an der Aktion beteiligt. Auf die Stadt wurden 560 Tonnen von Sprengbomben und 72 Tonnen von Brandbomben abgeworfen. Die Deutschen glaubten, sie seien angesichts mangelnder polnischer Flugzeuge und der Schwäche der polnischen Flugzeugabwehr straflos.


Deutsche Bombenflugzeuge bei einem Sturzflug

          Die Bomben abwerfenden Flieger ließen sich weder von menschlichen Gefühlen noch von internationalen Konventionen leiten. Das Ziel der Luftangriffe waren in erster Reihe Zivilobjekte. Keine Gebäude und Gemächer, Häuser, Denkmäler oder Kirchen blieben dabei erspart. Ganze Häuserblöcke (und Stadtviertel) wurden zerstört. An diesem Werk der Zerstörung hatte auch die deutsche Artillerie ihren Anteil. Das Feuer der abwerfenden Bomben wurde auf Kraftwerke, Wasserfilteranlagen, Gaswerke, Pumpenstationen und Telefonnetzanlagen konzentriert.





Wola in Flammen


          Das Ziel der Aktion war es, die Bevölkerung Warschaus zu terrorisieren, dieser den Kampfgeist vollkommen zu nehmen. Die Stadt wurde ununterbrochen von 08.00 bis 18.00 Uhr bombardiert. Die Deutschen behandelten Warschau wie ein Versuchsgelände, um die Konzeptionen der Luftkriegstheorie des italienischen Generals Gulio Douhat in der Praxis auszuprobieren. In einem geringeren Maß war diese bereits 1936 in kleinen spanischen Städten Durango und Guernica „getestet“.





Zerstörte Häuser in den Stadtteilen Wola und Koło


          Am 26 September haben die Deutschen einen erneuten Versuch, die Verteidigung der Hauptstadt zu brechen, vorgenommen. Erbitterte Kämpfe wurden auf zahlreichen Verteidigungsstreifen ausgetragen. Die Aktion der deutschen Armee brachte nicht den erhofften Erfolg. Die polnischen Verteidigungsstellungen wurden überwiegend gehalten, die Linie der Hauptverteidigung wurde von Deutschen nicht erreicht. Trotzdem fassten die polnischen Hauptbefehlshaber den Beschluss, diesen hoffnungslosen Kämpfen ein Ende zu setzen und Kapitulationsgespräche mit Deutschen zu beginnen. Der Grund dafür war eine äußerst schwierige Lage für die Zivilbevölkerung, die infolge der Bombardierungen ohne Lebensmittel, Wasser und sanitäre Einrichtungen geblieben war. Im Falle einer noch länger dauernden Belagerung, konnte dies unberechenbare Folgen haben.


Situation in Warschau am 27 September 1939

          Am 27 September begannen die Kapitulationsgespräche, zuerst im Stadtteil Sulejówek, dann in dem Außenposten (Gefechtstand) des deutschen Kommandos der deutschen 8 Armee in Rakowiec, nicht weit von dem Flughafen Okęcie. Das polnische Oberkommando vertaten General Kutrzeba und Oberstleutnant Pragłowski. Am 28 September um 13.15 wurde die Kapitulationsurkunde für Warschau unterzeichnet. Die Verteidigung von Wola hatte ununterbrochen bis zur Belagerung Warschaus, dh. bis zum 28 September 1939 gedauert.


Unterzeichnung der Kapitulation von Warschau

          Am 29 September begannen die ersten Kolonnen von gefangenen genommenen polnischen Soldaten Warschau zu verlassen. Die letzte Kolonne des Warschauer Verteidigungskommandos mit den Generälen Röml, Kutrzeba und Czuma verließ Warschau am Nachmittag, am ersten Oktober 1939. Am ersten Oktober, als die letzten polnischen Gefangenenkolonnen Warschau verließen, marschierten die deutschen Truppen bereits in die Innenstadt ein. Um 15.Uhr stellten die Deutschen die Hauptwache bei der Stadthauptkommandantur und machten durch Megaphone bekannt, dass ihre Truppen Warschau besetzt hatten.


Einmarsch der deutschen Truppen nach Warschau

          Bei der Verteidigung Warschaus zwischen dem 1-28 September 1939 waren circa 5 tausend Soldaten gefallen und circa 16 tausend wurden verletzt. In die deutsche Gefangenschaft gerieten circa 5 tausend Offiziere und 97 tausend Gefreiten.


Verteidiger Warschaus werden von Deutschen gefangen genommen

          Zerstört wurden etwa 12% der Gebäude, darunter zahlreiche erstklassige Kultureinrichtungen Die materiellen Verluste in der Stadt wurden auf etwa 30 Milliarden Zloty (der damaligen Währung) geschätzt. Die düstere Stunde der deutschen Nazi-Besetzung über Warschau und dem Stadtteil- Wola, eine Zeit, die 5 Jahre dauern sollte, war geschlagen.

          Am Tag-e der Kapitulation kam es noch zu einem anderen wichtigen Ereignis in der Geschichte Polens. Am 28 September 1939 wurde in Moskau der „Deutsch-Sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag von Mołotow und Ribbentrop“ unterzeichnet. Dadurch wurde die vierte Teilung Polens besiegelt. In einem Geheimprotokoll, der Bestandteil des Vertrags war, wurde die Interessenzone der beiden Aggressoren auf dem Territorium Polens festgelegt. Die Gebiete von Lublin und ein Teil von Masowien wurden den Deutschen zuteil, die so genannten polnischen Kresy Wschodnie (Ostgebiete Polens) wurden der UdSSR angegliedert. Durch Abtretung der östlichen Gebiete von Lublin (Lubelszczyzna) zugunsten Deutschlands konnten die Sowjeten Litauen in ihre Einflußzonen einbeziehen. Darüber hinaus enthielt das Protokoll eine Erklärung über gemeinsame Bekämpfung polnischer Unabhängigkeitsbestrebungen. Infolge der Aufteilung umfasste nun die deutsche Grenze zusätzlich 48,5% des Territoriums der II Republik Polen mit circa 20,4 Millionen Menschen. Das sowjetische Russland übernahm 50% des Territoriums, das von circa 14,3 Millionen Menschen bewohnt war. Vilnius mit den benachbarten Gebieten mit der Gesamtfläche von circa 1,5% des polnischen Territoriums und der Bevölkerung von circa 500 tausend Bewohnern wurde von der Sowjetunion an Litauen übergeben. Diese Gebiete wurden aber in einigen Monaten nach der Annexion Litauens im August 1940 wieder der UdSSR angegliedert.

          Der Kommandant der Verteidigung von Reduta 56 (Schanze 56) im Stadtteil Wola, der im September 1939 in den Rang eines Kapitäns befördert wurde- Zdzisław Pacak, geriet zusammen mit anderen polnischen Soldaten nach der Kapitulation Warschaus in deutsche Gefangenschaft. Er wurde in das Kriegsgefangenenlager (Stalag und Oflag) in Woldenberg gebracht. Dreimal versuchte er aus dem Gefängnis zu fliehen. Der dritte recht waghalsige Versuch im März 1942 war erfolgreich. Dem Kapitän gelang es mit seinen vier befreundeten Offizieren nach zahlreichen kaum glaubhaften Abenteuern schließlich nach Warschau zu kommen. Gleich tritt er der Heimatarmee unter dem Pseudonym „Kuźmirski“ bei. Im November 1942 wird er zum Stellvertreter und Operationschef von Organisationen für Sonderaktionen „Osa“ ernannt. In den Jahren 1943-1944 ist er Führer der Partisanendivision- Karpaten innerhalb des Aktionsgebiets der Heimatarmee - Lwiw. (Lemberg). Er wird dann in den Rang eines Oberstleutnants der Heimatarmee befördert. Mit dem Goldenen und Silbernen Kreuz Virtuti, dem Tapferkeitsordnen und anderen Militärorden ausgezeichnet. Verhaftet im Auftrag des Innenministeriums (NKWD) der UdSSR und inhaftiert im Gefängnis in Lubjanka sagt er als Zeuge im Moskauer Prozess der 16 aus. Im Jahre 1946 kommt er nach Polen zurück. Erneut verhaftet, diesmal durch den polnischen Sicherheitsdienst (SB) verbringt er 6 weitere Jahre in den Gefängnissen in Rawicz und Wronki. Er stirbt am 27 Januar 1981 in Krakau.

          Am 11 April 2005 wurde auf Antrag des Stadtrats Warschaus für den Stadtteil Wola beschlossen, eine Grünanlage, die an der Straßenabzweigung von der Wolska und Kasprzak-Straße, am östlichen Ende der Ordon-Straße gelegen ist, mit dem Namen des Oberstleutnants Zdzisław Pacak- Kuźmirski zu benennen.




Grünanlage nach dem Oberst Zdzisław Pacak- Kuźmiński benannt

          Die Grünanlage befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Schanze 56, zwischen zwei Hauptverkehrsadern, zwischen zwei Ausfallstraßen in östlicher Richtung.


Bearbeitung:
Maciej Janaszek-Seydlitz
Jerzy Janowski
Janina Mańkowska

Übersetzung: Jacek Konopka



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